Wochenbett

Die Krankenhaustasche ist gepackt. Die dritte Geburt samt Wochenbett & Hormonkeule kann kommen. So früh war ich noch nie dran, bei keinem meiner Kinder (SSW 31) – aber dieses Mal habe ich irgendwie das (Bauch-)Gefühl, es könnte schneller gehen. (So einen unruhigen Zwerg hatte ich noch nie im Bauch! Ich glaube, da wartet eine kleine Naturgewalt auf uns.)

Jedes Mal fühlt es sich wieder an wie beim ersten Kind, denn ich vergesse gefühlt alles zwischen den Jahren.

Wann war was? Welche Untersuchung findet wann und wieso statt? Was war nützlich und notwendig? Wie war das noch mal mit dem Kinderbetreuungsgeld (obwohl sich das sowieso gefühlt alle paar Monate ändert)? Und wie war die erste Zeit mit einem Neugeborenen? (Vermutlich vergessen wegen Schlafmangel.)

In diesem Sinne ist jede Mama vielleicht wie eine “neue” Mama.

Dieses Mal ist es beim Packen sehr minimalistisch geworden, weil das Krankenhaus eigentlich alles hat, und ich dieses Mal einfach daran glaube, dass es so ist, und meinem inneren Kontrolletti den Mund verbiete.

Die meisten „Was kommt in die Krankenhaustasche“-Videos auf YouTube habe ich mir auch gespart. Ich versuche sowieso, mehr auf mich selbst und auf das, was von mir kommt, zu hören, statt ständig alle verfügbaren Varianten & Tipps von außen zu holen. Es stiftet interne Verwirrung und überreizt ohne Ende.

Mittlerweile weiß ich, dass ein Baby, vor allem frisch geschlüpft, nur eine Mama braucht und vielleicht eine Decke. Alles andere ist zusätzlicher Luxus oder unnützes Zeug – je nachdem.

Jetzt ist sie fertig, die Tasche für den Fall der Fälle, und wartet im Schlafzimmer auf ihren Einsatz Anfang März. Der Anblick beruhigt und stresst mich gleichermaßen. Beruhigend, weil wieder etwas erledigt ist. Stressend, weil es nun bald so weit ist.

Und da ist sie natürlich auch: die Vorfreude auf eine neue Babyzeit. Unvergleichbar, bei jedem Kind anders und besonders.

Wenn alles klappt, würde ich gern ambulant entbinden (also ab nach Hause innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt) und mich daheim erholen. Da fühle ich mich einfach wohler.

ABER das stößt bei den meisten in meinem Umfeld auf ehrliche Verwunderung.

Viele raten mir, doch besser ein paar Tage im Krankenhaus zu bleiben und mich dort verwöhnen zu lassen – als ob ich mich auf einen Wellnessurlaub freuen könnte. Ich muss ja schließlich „nur“ auf EIN Kind aufpassen.

Als Antwort auf die besorgten Blicke höre ich mich oft erklären oder sogar (unbewusst) meine Entscheidung rechtfertigen – weil Tom vier ganze Wochen zu Hause ist (im Papamonat) und alles übernimmt, was man eben übernehmen kann als Vater seiner Kinder: Haushalt, Kochen, Kinderbetreuung.

Ich weiß, die meisten meinen es nur gut mit ihren Einwänden. Und genau da wären wir auch schon beim kritischen Punkt.

Etwas Gesellschaftliches. Veraltetes. Rückschrittliches bahnt sich da meiner Meinung nach seinen Weg in die Köpfe der Besorgten.

Ich finde es schade, dass es offenbar immer noch nicht Standard ist, den Vater ebenso als Elternteil in Aufgaben einzubeziehen. Vor allem im Wochenbett, wenn es bereits Geschwisterkinder gibt, gebe ich die Rolle der ersten Bezugsperson für ein paar Wochen gerne ab, um mich zu erholen und das neue Familienmitglied kennenzulernen. Da reichen mir 3–5 Tage im Krankenhaus leider nicht.

Mein Rückschluss aus der allgemeinen Reaktion auf so viele „beinahe dreiste Wünsche“: Ich bin immer noch sehr privilegiert, weil viele Väter sich das nicht zutrauen (wollen) oder es arbeitstechnisch (finanziell) nicht möglich ist. Das finde ich schade und denke, es sollte mehr Frustration in der Allgemeinheit auslösen.

Für mich war das eine Voraussetzung für ein drittes Kind. Es gibt wohl kaum eine verletzlichere Phase im Leben einer Frau als die ersten sechs Wochen nach einer Geburt. Und ich bin ehrlich gesagt einfach stur davon ausgegangen, dass Tom in dieser Zeit meinen Teil mit übernimmt. Das haben wir (er) nie infrage gestellt (vor allem nach zwei Mal Live-Action im Kreißsaal).

Natürlich erlebt das jede Frau anders, und es muss auch nicht zwingend der Vater alles andere übernehmen. Es gibt viele Menschen, die ihren Beitrag leisten können, und wir sollten alle Angebote dankbar nutzen und uns dafür nicht schämen.

Bei mir muss es Tom machen, denn ich war noch nie der Typ, der sein Baby gern “an die Schwestern” abgibt. Dafür bin ich viel zu sehr „Glucke“, wie man im Volksmund so schön sagt.

Ich hatte bei meinem ersten Kind nachts im Krankenhaus Schweißausbrüche und Heulattacken, weil ein gut gemeinter Versuch der Verwandtschaft am Tag zuvor mein Baby aus dem Raum zu einer Untersuchung getragen hat. Und ich habe mich damals noch nicht getraut, “Nein” zu sagen. Das habe ich dann bitter bereut und würde ich heute niemals wieder machen.

Mein Baby bleibt bei mir. Oder zumindest in Sichtweite – sonst spielen mir die Hormone einen Babyblues, dem ich nicht noch mal lauschen möchte.

Für mindestens vier Wochen also muss ich, trotz der Anwesenheit der anderen beiden Kleinen, NICHTS machen außer aufs Klo gehen, essen und mich um das Baby kümmern. Das ist meine persönliche Vorstellung von einem Wochenbett. Wenn ich trotzdem Lust habe, etwas zu tun, dann nur, weil ich Energie & Ressourcen dafür habe.

Nach dem “Desaster” meines zweiten Wochenbetts, wo ich nach zehn Tagen bereits alleine auf beide Kinder aufpassen musste, viel zu viel aufgestanden bin und so getan habe, als hätte ich nicht vor ein paar Tagen ein 4-Kilo-Baby bekommen – ist es für mich das Wichtigste, dass ich mein Wochenbett beim dritten Mal besser plane. Damals waren die Umstände anders, und wir konnten vieles nicht beeinflussen, aber da ich in den Monaten darauf lernen durfte, was passiert, wenn man den Körper nicht heilen lässt (hallo Wochenbettdepression), bin ich nun umso mehr Verfechterin eines ruhigen Wochenbetts.

Und damit meine ich nicht, dass das Baby nicht schreien darf oder die Fütterei einwandfrei läuft – egal, ob Stillen oder Fläschchen –, und ich meine damit auch nicht meine beiden älteren Kinder.

Ich meine damit, dass die Auswirkungen von Stress im Wochenbett weitreichend sind. Eine postpartale Depression kann auch Monate später auftreten – nämlich dann, wenn durch Krankheit (der Kinder) oder Einsamkeit die letzten Reserven wegbrechen und sich Panikattacken ihren Weg in dein Nervensystem bahnen. Und ja, es klingt dramatisch – weil es das war.

Jeder einzelnen Mama, der ich das ersparen kann durch Ehrlichkeit & Information, ist es wert, hier so offen zu sein.

Wie (alle) meine Hebammen immer so schön sagten: „Wenn jemand mit einer tellergroßen Wunde außen am Bauch herumlaufen würde, würden auch alle sagen: Ruh dich aus, um zu heilen.“ (Und von den Strapazen einer frischen Kaiserschnittnarbe will ich gar nicht erst anfangen..)

Nachtrag: Ich habe gestern auch mit meiner Frauenärztin beim Ultraschall drüber gesprochen und sie teilt meinen Wunsch, dass mehr Frauen das Wochenbett “ernster” nehmen und lautstark einfordern. Aber sie hat mich auch darauf hingewiesen, dass es schon viel besser ist als noch vor ein paar Jahren.

Und es stimmt! Viele Väter bringen sich ein, helfen mit bzw übernehmen ihren Teil. Ich bin dankbar, für die Zeit in der wir leben dürfen und Veränderung ist nicht immer schlecht. Vor allem für uns Mamas.

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Liebesbrief 2024